Infektionsrisiko unter krankheitsmodifizierender MS-Therapie
Schwedische Studie mit Real World Data
MS-PatientInnen unter Interferon beta und Glatirameracetat sind weniger anfällig für schwere Infektionen als unter Fingolimod, Natalizumab oder Rituximab (off-label Behandlung).
Studie kompakt
- Infektionsanfälligkeit bei Behandlungsentscheidung berücksichtigen
- Infektionshäufigkeit unter injizierbaren DMT am geringsten
- Infektionshäufigkeit unter Rituximab (off-label Behandlung) am höchsten
PatientInnen mit MS haben ein höheres Infektionsrisiko als die Allgemeinbevölkerung – unabhängig davon, ob und wie sie behandelt werden. Bisher fehlten Studien mit realen Gesundheitsdaten (Real World Data), die das Infektionsrisiko nach Behandlungsart stratifizieren.
Diese Lücke schließt nun ein schwedisches Forschungsteam um Gustavo Luna vom Karolinska Institut in Stockholm. Es untersuchte, welchen Einfluss unterschiedliche krankheitsmodifizierende Therapien (DMT) auf die Inzidenz schwerer Infektionskrankheiten haben. Luna et al. verglichen die Infektionshäufigkeit unter den injizierbaren DMT Interferon beta (IFNß) und Glatirameracetat (GA) mit den Infektionsraten unter dem Immunsuppressivum Fingolimod sowie den Antikörpern Natalizumab und Rituximab. Rituximab wird in Schweden häufig off-label zur MS-Behandlung eingesetzt.
Methode
- Datenbasis: Schwedisches MS-Register (SMSreg) sowie nationale Gesundheits- und Bevölkerungsregister
- Design: Registerbasierte Kohortenstudie
- Dauer: 2011 bis 2017
- Teilnehmende: 6.421 Erkrankte mit schubförmig-remittierender MS (RRMS), die insgesamt 8.600 Behandlungen mit folgenden DMT erhielten:
- IFNß/GA (n = 2.217/8.600)
- Fingolimod (n = 1.535/8.600)
- Natalizumab (n = 1.588/8.600)
- Rituximab (n = 3.260/8.600)
- Jede erkrankte Person wurde mit fünf Kontrollen aus den nationalen Gesundheits- und Bevölkerungsregistern möglichst genau abgeglichen
- Ziel: Untersuchung des Risikos schwerer Infektionen (= stationäre Behandlung erforderlich)
Ergebnisse
Ohne Risikoadjustierung fiel bei MS-PatientInnen aller Behandlungsgruppen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine höhere Inzidenz schwerer Infektionen auf. Ein Vergleich der Behandlungsgruppen zeigte, dass unter IFNß/GA und Natalizumab weniger schwere Infektionen auftraten als unter Fingolimod. Die höchste Infektionsrate zeigte sich unter Rituximab.

Nach multivariater Risikoadjustierung bestätigte sich ein signifikant höheres Infektionsrisiko unter Rituximab im Vergleich zu IFNß/GA. Das Risiko unter Natalizumab und Fingolimod war ebenfalls erhöht, jedoch nicht statistisch signifikant.
Schwere Infektionen | Multivariat-adjustierte Hazard Ratio, HR (95% KI) |
IFNß/GA | 1 (Referenz) |
Natalizumab | 1,12 (0,71-1,77) |
Fingolimod | 1,30 (0,84-2,03) |
Rituximab | 1,70 (1,11-2,61) |
Fazit
Die Infektionsanfälligkeit von MS-PatientInnen unter IFNß/GA-Behandlung war niedriger als unter Medikation mit Natalizumab, Fingolimod oder Rituximab.
Eine Therapie mit Rituximab war mit der höchsten Rate schwerer Infektionen assoziiert. Luna et al. empfehlen daher, das Infektionsrisiko bei der Risiko-Nutzen-Bewertung einer Behandlung zu berücksichtigen.
Originalstudie
Luna G et al. Infection Risks Among Patients With Multiple Sclerosis Treated With Fingolimod, Natalizumab, Rituximab, and Injectable Therapies. JAMA Neurol. 2019 Oct 7.
https://doi.org/10.1001/jamaneurol.2019.3365
Autorin: biho/ktg