Multiple Sklerose in Zeiten des Corona-Virus
Das Corona-Virus kursiert um die Welt. Ausgangsbeschränkungen bestimmen unseren Alltag. Die Frage, die sich jeder zu Anfang der Pandemie stellte: Was ist dieses Corona-Virus überhaupt genau? Corona heißt offiziell COVID-19 und wird durch das neuartige Corona-Virus „Sars-CoV-2“ ausgelöst. Es ist eine Infektionskrankheit, die meist die oberen Atemwege betrifft. Das Virus wird über Tröpfchen übertragen. Als häufige Symptome werden bisher Husten, Fieber und Gliederschmerzen genannt, ähnlich wie bei der Grippe. Die Symptome können sich in schweren Fällen auch zu einer Lungenentzündung, die tödlich enden kann, weiterentwickeln.
Ganz am Anfang dachte ich nicht, dass es uns alle so schwer treffen würde. Ein Virus das umher kursiert, ja. Aber das Ausmaß hätte ich mir nie so vorgestellt. Plötzlich war sie da, die Pandemie. Es veränderte unser ganzes Leben von einem auf den anderen Tag. Stellenweise macht es mir Angst und verunsichert mich. Ich denke, das geht vielen so. Es ist nichts mehr, wie es bisher war. Zum ersten Mal fühle ich mich in meinem Alltag und Leben derart eingeschränkt. Ich verstehe natürlich die ganzen Maßnahmen und finde es gut, dass wir vorsichtig sind. Das ist richtig. Wir müssen nicht nur uns selbst, sondern auch andere Menschen schützen und genau deshalb müssen wir zu Hause bleiben. Auch, wenn es uns vermeintlich gut geht und wir gesund sind.
Mein Mann ist Arzt und muss natürlich weiter in der Praxis arbeiten, für ihn ist es kaum möglich klassisches „Homeoffice“ zu machen. Den Wocheneinkauf übernimmt er zurzeit ebenfalls, einfach um mich zu schützen. Denn: Mir ist dabei nicht wohl. Als MS-Patientin bin ich mir einfach unsicher, inwiefern ich mich „noch mehr“ schützen muss als ein gesunder Mensch. Ich finde die Ausdrucksweise, dass Menschen mit Vorerkrankungen und alte Menschen zur Risikogruppe gehören, schwierig. „Vorerkrankung“ ist der Oberbegriff für so viele Erkrankungen. Befassen wir uns genauer damit, heißt es, MS Patienten sind nicht mehr gefährdet, als andere. Außer sie nehmen immunsuppressive Medikamente oder sind körperlich beeinträchtigt. Das wird derzeit angenommen. Es gibt kaum bis keine Erfahrung mit MS-Patienten und Corona. Ich nehme keine immunsuppressive Medikamente, dennoch habe ich ein wenig Angst oder Respekt vor einer möglichen Infektion. Seit meiner MS-Diagnose geht es mir bei kleinen Infekten häufig schon sehr schlecht. Auch leichte Infekte lassen alte MS-Symptome aufflackern und schränken mich in meinem Alltag sehr ein. Jede Infektionskrankheit kann Schübe auslösen, das wissen wir. So könnten auch die Folgen einer COVID-19-Infektion gefährlich für mich werden. Deshalb versuche ich es aktuell grundsätzlich zu vermeiden, mit anderen Menschen persönlich in Kontakt zu treten. Ausgenommen natürlich meinem Mann und meinen Kindern. Zum Glück lebe ich nicht alleine, denn als Alleinstehende würde mich in der Quarantäne-Zeit sicherlich die Einsamkeit packen.
Zur Risikogruppe von COVID-19 zählen also nicht nur alte Menschen. Vielen sieht man es nicht an, dennoch gehören sie mit ihren Vorerkrankungen, wie beispielsweise Asthma oder andere chronische Erkrankungen, zur Risikogruppe. Mich ärgert zunehmend diese Bagatellisierung von einigen jungen Menschen, die die Sicherheitsmaßnahmen nicht so eng sehen und das damit begründen, dass „es eh nur die Alten betrifft“. Erst mal möchte ich dazu sagen: Jeder hat das gleiche Recht auf Leben, ob jung oder alt! Das Leben eines alten Menschen ist genauso wertvoll, wie das eines jungen Menschen!!! Und außerdem betrifft es eben nicht „nur“ ältere Menschen. Viele junge Menschen leben mit Vorerkrankungen oder nehmen starke Medikamente, die das Immunsystem einschränken. Siehst du mir an, dass ich Multiple Sklerose habe? NEIN. Genauso wenig siehst du anderen Menschen an, unter welchen Vorerkrankungen sie möglicherweise leiden. Durch die MS kenne ich viele andere Betroffene, denen es so geht, wie mir. Viele von ihnen nehmen tatsächlich Medikamente, die das Immunsystem drücken. Sie gehören also zur Risikogruppe. Und für alle die, die Angst mit Panikmache verwechseln: Es ist menschlich, Angst zu haben und deshalb besonders vorsichtig zu sein. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass nicht jedes MS-Medikament das Immunsystem so einschränkt und damit für eine COVID-19-Infektion anfällig macht. Wenn ihr euch unsicher seid, kontaktiert unbedingt euren Arzt und lasst euch beraten! Zurzeit natürlich telefonisch! Außerdem wichtig zu wissen: Wenn wir Multiple Sklerose-Betroffene einen Schub haben, bekommen wir in der Regel Cortison. Cortison senkt das Immunsystem – eine Einnahme sollte daher zurzeit unbedingt von eurem Arzt abgewogen werden.
Neben den gesundheitlichen Sorgen und der Isolation wiegen bei einigen natürlich auch finanzielle Sorgen schwer. Besonders den Einzelhandel und die Gastronomie hat es schwer getroffen. Mein Papa ist Bäcker, er musste seinen Laden zum Glück nicht schließen, dennoch kämpft er mit Umsatzeinbrüchen. Mir tun alle Selbstständigen sehr leid, die gerade um ihre Existenz bangen müssen. Im Freundeskreis ist Kurzarbeit plötzlich Thema. Auch das kann den ein oder anderen an seine Grenzen stoßen lassen. Rechnungen müssen schließlich bezahlt werden. Und das plötzlich geringere Einkommen bereitet Sorgen. Viele Freunde von uns haben, so wie auch wir, vor kurzem ein Haus gekauft oder andere große Anschaffungen gemacht. Wir sind junge Familien und müssen monatlich unsere Kredite bezahlen. Einige haben Angst um ihren Job und vor der Zukunft. Das tut mir einfach nur leid und ist ein grausamer Beigeschmack der Corona-Krise. Wo führt uns das alles noch hin? Wie lange geht das noch so weiter? Und ganz ehrlich: Wer hätte so etwas noch vor ein paar Wochen für möglich gehalten? Ich ganz bestimmt nicht!
Ich bin dankbar, dass wir hier auf einem kleinen Dorf leben, in dem meist sehr wenig los ist! Dankbar für den Garten, den wir gerade absolut ausnutzen. Gerade mit Kindern kann die Isolation hart sein. Wie beschäftigt man die Kleinen, die nicht verstehen, warum wir nicht auf den Spielplatz oder zum Kinderturnen gehen können? Wir sind gerade zur rechten Zeit von der Stadt aufs Land gezogen, würde ich behaupten. Hier haben wir viele Möglichkeiten, uns die Zeit zu vertreiben. Wir können im Garten toben, mit dem Lieblingskrokodil aus Holz spazieren gehen oder ein Picknick vorm Haus machen. Ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch und versuche mich nicht von der Angst einnehmen zu lassen, das ist mir ganz wichtig. Fakt ist dennoch: Sie ist nun mal da, die Angst. Ich bin angespannt und mache mir Sorgen, das lässt sich nicht leugnen. Aber ich versuche dennoch das Beste draus zu machen. Und gerade bei gutem Wetter ist mir das hier möglich und wir verbringen viel Zeit an der frischen Luft. Hier auf dem Land bekomme ich tatsächlich auch nicht wirklich mit, ob sich die Menschen an das Kontaktverbot und die Ausgangsbeschränkungen halten oder nicht, denn hier ist generell wenig los. Als ich am Montag aber für mein MRT-Termin in die Stadt gefahren bin, war ich sehr überrascht, dass Hauptstraßen völlig leer waren. So auch die Parkplätze – ich habe fast niemanden auf der Straße gesehen, dies berührte mich und war gleichzeitig etwas beängstigend.
Auch mir fällt das Thema Kontaktverbot nicht leicht, auch wenn ich meinen Mann und meine Kinder um mich herum habe. Ich vermisse meine Oma, meine Eltern und natürlich auch meine Freunde. Normalerweise fahre ich mit den Kindern einmal die Woche zu meinen Eltern und meiner Oma. Aktuell mache ich das natürlich nicht. Wir telefonieren zweimal am Tag über FaceTime, die Kinder freuen sich immer sehr darüber. Emil fragt mich oft, ob Opa und Oma zum Spielen kommen. Ich versuche, ihm dann immer zu erklären, dass das gerade leider nicht möglich ist. Mit meinen Freundinnen tausche ich mich über viele Sprachnachrichten aus und lasse sie an meinem Alltag teilhaben. So haben wir das Gefühl, füreinander da zu sein, auch wenn wir uns nicht persönlich sehen können. Gegenseitig bauen wir uns auf, machen uns Mut und schmieden Pläne, was wir alles unternehmen werden, sobald ein Treffen wieder möglich ist.
Für viele Menschen wird die Zeit nach der Pandemie ein Neu-Anfang sein. Ich möchte mit niemandem tauschen, der durch die Krise in Existenznot geraten ist. Dennoch ist die Gesundheit das größte Geschenk, das wir haben! Wir müssen uns unbedingt glücklich schätzen, wenn wir gesundheitlich unversehrt aus der Krise herauskommen. Das Leben wird weiter gehen. Wir werden uns fangen und weiter machen. Türen schließen sich, damit sich andere öffnen können. Positiv denken wird auch in der Zukunft eine große Rolle spielen.
Wie bereits erwähnt, ist mein Mann Arzt in einer Praxis. Da ist die Gefahr einer Infektion natürlich sehr hoch – sowohl für meinen Mann als auch für mich. Auch als Optimist muss ich hier realistisch bleiben. Wir versuchen natürlich, alle Schutzmaßnahmen einzuhalten, jedoch kann er keinen Patienten in einem Abstand von 1 1/2 Metern untersuchen. So ist es nun einmal. Hoffen wir, dass das Virus so schnell verschwindet, wie es gekommen ist – ohne noch mehr Menschen das Leben zu kosten. Und vielleicht haben wir ja Glück und bleiben ebenfalls von einer Infektion verschont.
Zu guter Letzt möchte ich euch die allseits bekannten Tipps, wie wir uns und andere aktuell schützen können, noch einmal ans Herz legen:
- Zuhause bleiben.
- Wenn wir zum Einkaufen gehen, Abstand halten, mindestens 1,5 m
- Hände waschen. Immer wieder und ausgiebig!
- Kein Händeschütteln
- In Armbeuge niesen oder husten
- Und auch ganz wichtig, um nicht zu vereinsamen: Haltet virtuell Kontakt zu euren Lieben! :-)
Ich hoffe, jeder von euch kommt gut durch die Krise! Ich wünsche euch allen viel Kraft und Energie für die nächste Zeit. Wisst ihr, ihr seid nicht alleine. Auch, wenn wir uns aktuell nicht in die Arme schließen können, wir sind in Gedanken alle zusammen!!! Und gemeinsam schaffen wir es!
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