OpenId Connect Login Test

Brand Navigation Banner

MS-Kolumne

MS und Vorurteile

Nadines Kolumne

Wir erwischen uns häufig selbst dabei, wie wir vorschnell Urteile fällen. Ob bewusst oder unbewusst, wir tun es. Gerade bei der Erkrankung Multiple Sklerose kursieren viele Vorurteile und Unwahrheiten und unzureichendes Wissen. Wenn du MS hast, hast du sicherlich schon Erfahrungen mit entgegengebrachten Vorurteilen gemacht hast – so geht es mir zumindest.

 

Wer MS hat, sitzt automatisch im Rollstuhl

Die Erkrankung Multiple Sklerose verbindet ein Großteil der Menschen mit dem Rollstuhl. Ich weiß nicht warum, aber so stellen die meisten sich den klassischen MS-Patienten vor. Auch in Filmen und Büchern wird dieses Bild verbreitet: Wenn dort jemand MS hat, ist dieser immer direkt schwer betroffen.


Ich kann dir nicht sagen, wie oft ich gefragt wurde, wann ich in den Rollstuhl müsste. Die Antwort lautet: Das weiß ich nicht! Ich hoffe nie. Früher wurde gesagt: Jeder dritte MS-Patient landet irgendwann im Rollstuhl. Mittlerweile belegen Daten und Studien, dass dieser Verlauf bei immer weniger Erkrankten eintritt. Die Therapien werden besser und die Krankheit wird oftmals deutlich früher erkannt als noch vor 20 Jahren.

 

MS = Muskelschwund

Wenn ich mich mit Menschen unterhalte und von meiner MS erzähle, wird häufig überrascht festgestellt: „Was, aber du kannst ja laufen?!“ Fragt diese Personen mal im Gegenzug, was sie denken, um was für eine Krankheit es sich bei MS eigentlich handelt. Ein Großteil wird wahrscheinlich antworten: Muskelschwund! MS= Muskelschwund, völlig falsch. Bei Muskelschwund handelt es sich um eine ganz andere Krankheit, verursacht durch einen Gendefekt. Multiple Sklerose hingegen greift im zentralen Nervensystem an (Gehirn und Rückenmark) und zerstört dort das Myelin. Dieses  umhüllt und schützt unsere Nervenfasern; wird es zerstört, können Impulse nicht mehr ordnungsgemäß weitergeleitet und verarbeitet werden. Die meisten, die damit noch nie etwas zu tun hatten, sind darüber verständlicherweise nicht informiert.

 

MS ist ansteckend

Kurz nach meiner Diagnose merkte ich, wie eine Freundin plötzlich ziemlich auf Distanz zu mir ging. Zuerst dachte ich, sie wisse möglicherweise nicht, wie sie mit mir umgehen solle. Ich passte irgendwann einen guten Moment ab und konfrontierte sie mit ihrem plötzlich distanzierten Verhalten. Ihre Antwort: „Du bist ansteckend mit deiner MS.“ Ich war fassungslos über diese völlig falsche Aussage! Die Ursache für MS liegt in meinem körpereigenen Immunsystem; mein Körper greift sich selbst an und niemand anderen. Vor Wut über diese Aussage musste ich weinen. Wir haben seitdem keinen Kontakt mehr und das ist wohl für beide Seiten am besten.

 

Wer MS hat, darf keine Kinder bekommen

Kurz nach meiner zweiten Fehlgeburt musste ich zur Routineuntersuchung zur Betriebsärztin. Wir unterhielten uns über die MS und wie es mir so ginge. Als die Fehlgeburten angesprochen wurden, sagte sie: „Sie haben doch MS, warum werden Sie dann überhaupt schwanger?“ Ich bin eigentlich ein sehr ruhiger, gelassener Mensch, aber dieser Satz brachte mich aus der Fassung. Ich schrie sie fast an und sagte ihr, dass sie überhaupt keine Ahnung hätte. Diesen Satz hörte ich nicht zum ersten Mal und es ist einfach sehr verletzend, durch Unwissenheit als Mensch auf seine Erkrankung beschränkt zu werden.

 

MS ist eine Erbkrankheit

Mit der Diagnose hatte ich das Gefühl, mich überall für alles Mögliche rechtfertigen zu müssen. Ständig wurde ich z.B. gefragt: „Was passiert denn mit deinen Kindern?“ Im Kern zielte diese Frage immer darauf ab, dass ich die Krankheit an meiner Kinder weitergebe. Viele denken, dass man die Multiple Sklerose automatisch weitervererbt. Nach derzeitigem Wissen ist das aber nicht der Fall, MS ist keine klassische Erbkrankheit. Lediglich die Veranlagung wird weitergegeben. Meine Kinder haben ein Risiko von nur 3 Prozent an MS zu erkranken. Im Umkehrschluss heißt das, die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht an MS erkranken, liegt bei 97 Prozent!

 

Wer MS hat, ist einfach nur faul

Uns Betroffenen wird oft nachgesagt, wir seien einfach faul oder hätten ja überhaupt nichts. Aber: Die MS ist nicht immer sichtbar. Jeder hat andere Symptome, an einigen Tagen ausgeprägter als an anderen. Ich kämpfe an schlechten Tagen mit einer Spastik im Bein, Gefühlsstörungen, Sehproblemen und Nervenschmerzen. Nichts, was man auf den ersten Blick direkt sieht. Trotzdem geht es mir dann nicht gut und ich bin krank. Die Multiple Sklerose ist auch bekannt als die Krankheit der 1000 Gesichter, weil sie bei jedem anders auftritt und unterschiedliche Symptome auftreten.

 

MS endet tödlich

Als ich die Community zu ihren Erfahrungen mit Vorurteilen befragte, entgegneten einige, dass sie auch schon gefragt wurden, wie lange sie noch zu leben hätten. Diese Frage ist ziemlich anmaßend! MS ist keine Erkrankung, die zwangsläufig einen tödlichen Ausgang hat. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber mit der passenden Therapieform lässt es sich sehr, sehr lange leben – trotz MS!

 

Es macht mich wütend und traurig für Dinge verurteilt zu werden, nur weil ich MS habe. Es muss (leider) noch viel Aufklärungsarbeit betrieben werden. Vor allem Menschen, die nichts mit MS zu tun haben zu erreichen und zu informieren, ist nicht so leicht. Wenn ich Fragen zu meiner Krankheit bekommen, beantworte ich diese gerne, denn nur so kann ein Umdenken stattfinden. Deshalb habe ich auch mit dem Bloggen begonnen. Wir haben es in der Hand unser Umfeld aufzuklären.

 


Das könnte Sie auch interessieren:

MS-Kolumne

Der ganz normale Wahnsinn - mit Kleinkindern und eben auch MS.

Aufklären

Mythen rund
um die MS

Das ist MS

Die Krankheit der
1000 Gesichter