MS und Kleinkinder

Wie läuft das mit MS und Kindern? Häufig bekomme ich die Frage gestellt: Wie gehst du damit um und wie ist das für deine Kinder...? Zunächst möchte ich sagen, ich bzw. mein Mann und ich haben uns für einen Weg entschieden – ob dieser nun richtig oder falsch ist, sei dahin gestellt. Ich teile gerne mit dir wie es bei uns läuft und wie wir als Familie damit umgehen. Nämlich offen.
Ich habe mir sehr oft die Frage gestellt, ob ich meine Krankheit vor meinen Kindern verheimlichen soll oder nicht. Letztlich gehört die MS zu mir und ist ein Teil unserer ganzen Familie. Ich möchte meinen Kindern gegenüber ehrlich und offen sein. Wenn ich einen Schub bekäme und sie vorher gar nichts darüber wüssten, würde es ihnen womöglich viel mehr Angst machen.
Meine Kinder sind jetzt 3 und 1 Jahr alt. Emil, mein älterer Sohn, versteht schon Einiges. Er sieht zum Beispiel, dass ich Medikamente einnehme, der Papa aber nicht. Er hat auch schon Fragen dazu gestellt und ich habe ihm erklärt, dass es Medikamente für meinen Kopf sind, damit die „Kabel“ ganz bleiben. Ich versuche also, ihm die MS in greifbarer Bildsprache zu verdeutlichen. Schon als Emil ganz klein war und wir im Sommer teilweise nicht raus konnten, weil es mir nicht gut ging, erzählte ich ihm die Geschichte mit den Kabeln. Ich zeigte ihm immer wieder Kabel und sagte: „So etwas in der Art ist in unserem Kopf...meine sind etwas defekt oder leiten den Strom nicht so schnell hindurch.“ Er hat das durch diese Darstellung ganz gut verstanden. Auf Emils Frage hin, wie man das reparieren könne, erläuterte ich ihm, dass die Medikamente dafür da seien – und natürlich helfen er und Theo und ganz viel Spaß im Leben auch bei der Reparatur.
Außerdem kommuniziere ich den Kindern auch, wenn ich (krankheitsbedingt) eine Pause brauche. Naja, mit zwei Kleinkindern bedeutet so eine Pause dann, mal ein Buch zu lesen oder etwas Fernsehen zu schauen. Glücklicherweise geht es mir zurzeit sehr gut und es hält sich in Grenzen, dass ich mir eine Auszeit nehmen muss. Aber wenn ich sage, „Stopp, Mama braucht eine Pause“, antwortet Emil schon mal, „Wegen den Kabeln?“ Das ist ganz niedlich. Er streichelt dann über meinen Kopf und ich bekomme ein Küsschen, damit alles wieder gut wird.
Neulich unterhielt ich mich mit meinem Mann über die nächste MRT-Kontrolle, Emil bekam dies mit und fragte mich direkt, was das sei. Ich erklärte es ihm ganz bewusst. Ich habe zwar seit der Geburt der Kinder einen milden Verlauf (Toi, toi, toi), will sie aber rechtzeitig darauf vorbereiten, falls ich irgendwann wieder einen Schub erleide.
Neulich fragte ich die MS-Community, ob ihre Kinder von der Erkrankung wüssten. Die Mehrheit antwortete mit „Ja“, etwa ein Fünftel der Teilnehmer stimmte mit „Nein“. Ich kann auch deren Beweggründe gut nachvollziehen und möchte deshalb auch nochmal ganz klar betonen, dass es kein hier Richtig und Falsch gibt. Du musst individuell entscheiden, wie offen du deinen Kindern gegenüber mit der MS umgehen möchtest. Ich verstehe, wenn du dein Kind einfach schützen möchtest und Bedenken hast, deinem Kind Angst zu machen.
Außerdem gibt es auch wirklich sehr, sehr milde Krankheitsverläufe, in denen ein ganz normaler Alltag über Jahre möglich ist – warum dann den Kindern davon erzählen? Ich habe viel darüber nachgedacht und mich dann 2018 dazu entschieden, mit meiner MS an die Öffentlichkeit zu gehen. Das ist – zugegebenermaßen – nicht immer leicht und kostet mich auch immer wieder Überwindung. Ich glaube aber, dass ich persönlich mit Ehrlichkeit und Offenheit am besten fahre.
Als wir das Kennenlerngespräch in der Kita hatten und ich gefragt wurde, ob es Besonderheiten in der Familie gibt, geriet ich ins Stocken. Ich überlegte einen Moment und sagte dann: „Ja, ich habe MS“. Genau in diesem Moment merkte ich, wie mein Gegenüber etwas überrumpelt von der Situation war und nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Eine kurze unangenehme Stille entstand. Ich brach das Schweigen: „Es ist nicht schlimm, es gehört zu mir – zu uns“. Solche Momente geben mir zu denken und lassen meine MS wieder sehr präsent werden. Gehe ich gegenüber meinen Kindern richtig damit um? Ich glaube schon. Emil erzählt anderen Menschen wie meinen Eltern, seiner Erzieherin oder seinem Freund manchmal, dass ich morgens Tabletten einnehme. Wenn ich rot werde (einen Flush bekomme), weiß er auch, dass es an den Medikamenten liegt. Aus seiner Perspektive schützen die Medikamente „meine Kabel“ und so gibt er diese Info auch weiter. Wenn er noch etwas älter ist, werden wir ihm sicher alles noch viel genauer erklären – wenn er das möchte. Wir wollen uns nämlich nicht mit ihm hinsetzen und sagen, „Wir müssen jetzt über meine MS reden“. Nein, ich warte einfach ab. Kinder sind neugierig und fragen ohnehin so viel. Wenn er mich bezüglich meiner Medikamente fragt, dann versuche ich ihm kindergerecht und ehrlich zu antworten.
Immer wieder werde ich auch gefragt ob ich etwas zur Aufklärung über Multiple Sklerose für Kinder empfehlen kann. Wirklich empfehlen möchte zu diesem Thema eigentlich nichts, da auch jedes Kind anders ist und du als Mama oder Papa dein Kind und seine Bedürfnisse am besten kennst. Ich habe auch mal ein MS-Buch für Kinder gelesen und ganz ehrlich: Ich musste bitterlich weinen. Es tat mir sehr weh zu lesen, wie es der Mama in dieser Geschichte erging und dann auch ihrem Kind.
Für Emil habe ich tatsächlich eine ganz tolle Geschichte zum Ausmalen gefunden. Die kann ich für Kleinkinder wirklich empfehlen! Wer mag, kann beim Malen etwas aus der Geschichte vorlesen. Diese Empfehlung ist völlig unbeauftragt und aus ganz freien Stücken. Du findest die Ausmal-Geschichte unter www.MS-Gateway.de. Solltest du Schwierigkeiten dabei haben, sie zu finden, schreib mich gerne an und ich helfe dir.
Selbst wenn wir häufig denken, dass Kinder nichts mitbekommen, ist das nicht der Fall. Denn sie bekommen sehr viel mit. Sie im Unklaren zu lassen, kann ins Gegenteil umschwenken und ihnen vielleicht sogar mehr Angst machen. Ich habe mich in diesem Zuge auch selbst gefragt, was ich mir als Kind gewünscht hätte. Ich möchte dazu eine sehr persönliche Erfahrung teilen: Meine Eltern waren und sind selbstständig. Es gab eine Zeit in meiner Kindheit, in der meine Eltern große Geldsorgen hatten. Wir standen kurz davor, das Haus und somit unser Zuhause zu verlieren. Meine Eltern haben immer versucht, diese Probleme von meinem Bruder und mir fernzuhalten. Wir haben aber letztlich immer etwas mitbekommen und das machte mir als Kind große Angst. Ich möchte meinen Eltern heute überhaupt kein Vorwurf machen, ich weiß sie wollten uns damit nicht belasten. Heute denke ich aber: Wären sie uns mit Offenheit begegnet und hätten uns die Situation erklärt, wäre es für meinen Bruder und mich womöglich erträglicher gewesen.
Das Wohl meiner Kinder ist mir eine Herzensangelegenheit und ich möchte, dass keines von ihnen Angst haben muss. Das gelingt uns eben am besten, indem wir ihnen nichts vorenthalten, sondern meine Erkrankung offen aber kindgerecht ansprechen. Auch du kennst dein Kind und wirst sicher den richtigen Weg und Umgang mit der MS für euch finden.
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