MS - Miteinander Stark

Unter diesem Motto stand der diesjährige Welt-MS-Tag am 30.05. Ein Motto, das meiner Meinung nach gerade in der aktuellen Corona-Lage nicht passender hätte sein können. Wir, damit meine ich uns MS-Erkrankte, sind mittlerweile ca. 2,5 Millionen weltweit und ca. 240.000 in Deutschland. Ich bin eine davon – eine von vielen. Fakt ist: Frauen erkranken an MS etwa doppelt so häufige wie Männer. Warum das so ist? Dazu gibt es viele unterschiedliche Theorien. Ob aufgrund von Genen, Hormonen oder Sonstigem – ich denke, es ist bestimmt eine Mischung aus allem. Überhaupt wissen wir immer noch viel zu wenig über die tatsächlichen Ursachen für MS und eine Heilung gibt es derzeit auch nicht. So ist es und damit müssen wir leben. Jeder muss das mit sich selbst ausmachen. Das heißt aber noch lange nicht, dass ihr alleine damit seid! Wir sind, wie eben gesagt, viele! Fakt ist außerdem: In den letzten Jahren kamen einige neue Medikamente auf den Markt, es gibt viele Therapieansätze und der Krankheitsverlauf kann insgesamt um einiges besser beeinflusst werden. MS, die Krankheit der 1000 Gesichter. Das kann einem schon Angst machen, denn der Name ist nicht ohne Grund entstanden. Bei der MS gleicht keine Krankheitsgeschichte der anderen. Symptome, Schübe, Läsionen und der Verlauf können bei jedem anders ausfallen. Die einen sitzen im Rollstuhl, die anderen haben beispielsweise mit Seh- und Wortfindungsstörungen zu kämpfen. Die einen stehen am Anfang ihrer Diagnose und die anderen leben schon seit 21 Jahren damit. Erfahrungen teilen und sich gegenseitig Mut machen, das spielt eine wichtige Rolle. Trotz der Erkenntnis, dass MS nicht gleich MS ist!
Die chronische Nervenkrankheit tritt in der Regel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf – mitten im Leben also. Ich war bei Diagnosestellung 24 Jahre jung. Anfangs ist es ganz normal Angst zu haben. In vielen Köpfen existiert immer noch das Bild „MS = Rollstuhl“ – der Unwissenheit geschuldet. Das macht Angst, keine Frage! Genauso war es anfangs auch bei mir. Die Erkrankung verstehen lernen und sich damit abzufinden, das ist besonders am Anfang schwierig. Ich fühlte mich nahezu erschlagen von der Flut an Informationen und neuen Eindrücken, die auf mich einprasselten. Ich sollte mir Gedanken über meine Therapie machen, gleichzeitig die Krankheit akzeptieren und meinen Körper in dem Sinne neu kennenlernen. Mein Mann und meine Familie waren immer an meiner Seite. Ich war nie alleine mit dieser Last. Dennoch war nun mal ICH diejenige, die den Rest ihres Lebens MS hat. Keiner konnte sich so wirklich in mich hineinversetzen, verstehen, wie ich mich fühlte und was es mit mir machte. Ich musste es also, trotz der Unterstützung von allen Seiten, mit mir selbst ausmachen. Es verstehen und akzeptieren lernen. So ist das. Meine Lieben brachten eine Menge Verständnis auf, keine Frage. Aber wirklich „verstehen“ – das kann nur jemand, dem es genau so ergeht.
Ich erinnere mich an meinen zweiten Schub. Ich saß zur „Cortisongabe“ in der Klinik. Plötzlich kam eine Frau mit einem Gehstock herein und setzte sich mir gegenüber. Sie lächelte mich nett an, schnell kamen wir ins Gespräch. Sie war für ihre monatliche Infusion in der Klinik. Die MS begleitete sie schon seit 20 Jahren. Sie plauderte über ihren 12-jährigen Sohn und erzählte mir noch einige persönliche Geschichten aus ihrem Leben, von etlichen Schüben und wie sie sich immer wieder ins Leben zurück kämpfte. Diese Frau machte mir, ohne dass es ihr bewusst war, unheimlich Mut! Das war genau das, was ich zu dieser Zeit brauchte, sie half mir sehr!
Jede/r von uns fühlt sich frisch nach der Diagnose irgendwie allein damit, oder? Es gibt in vielen Städten Selbsthilfegruppen oder MS Treffen. Wenn das etwas für euch sein könnte und ihr euch dafür interessiert, könnt ihr einfach mal online bei der DMSG nachsehen, ob eine solche Veranstaltung in eurer Nähe stattfindet. Bei Google findet ihr außerdem sicherlich auch einige Treffer. Heute haben wir online die Möglichkeit uns zu verbinden – ein sehr großer Vorteil, denn das macht es uns einfacher in Kontakt zu treten und in Kontakt zu bleiben. Nicht nur innerhalb von Deutschland, sondern sogar weltweit. Ich durfte unglaublich viele, bewundernswerten Menschen mit MS kennenlernen – und zwar über das Internet. Online ist eine starke MS-Community vertreten, das ist wirklich toll. Es kann dem Einzelnen unglaublich helfen, mit Gleichgesinnten zu sprechen, wenn gewünscht sogar anonym. Es ist einfach so wichtig, sich gegenseitig Mut zu machen, Erfahrungen zu teilen oder einfach füreinander da zu sein. Wir führen alle ganz unterschiedliche Leben. Oft denke ich, nichts verbindet uns so wirklich und doch ist es so viel. Die Krankheit, die Sorgen und Ängste, sowie die Vorurteile, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Für mich sind mittlerweile großartige Freundschaften aus meinen Online-Bekanntschaften entstanden. Einige durfte ich auch schon persönlich kennenlernen.
Ich habe mich dieses Jahr sehr auf den Welt-MS-Tag gefreut, um bei den Veranstaltungen noch mehr Gesichter zu sehen und noch mehr Betroffene kennenzulernen. Tja und nun finden aktuell, dank Corona, leider gar keine Veranstaltung statt. Aber ich muss gar nicht traurig sein, denn, auch wenn es schön gewesen wäre, sich live zu sehen, können wir uns einfach online treffen und austauschen. Und das auch über den Welt-MS-Tag hinaus. Wir begleiten uns und teilen unsere Geschichten. Es tut so gut, Gleichgesinnte zu haben. Jede/r von uns ist stark, aber gemeinsam sind wir noch stärker. Jeder Einzelne ist ein Teil davon und trägt mit seiner eigenen persönlichen Geschichte zur MS-Aufklärung bei. Dennoch ist der Welt-MS-Tag so wichtig! Ein Tag, an dem auf unsere Erkrankung aufmerksam gemacht wird. Wir selber haben es in der Hand, Vorurteile zu widerlegen und voller Mut positive Energie weiterzugeben. Jedem Einzelnen wünsche ich noch viele tolle Welt-MS-Tage und eine große Portion Gesundheit. Bedenkt immer: Ihr seid nicht alleine! Wir sind viele und „Miteinander stark“. Danke für jeden von euch!
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