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MS-Kolumne

Meine MS im Kindergarten ansprechen

Nadines Kolumne

Ich hatte bereits die Diagnose Multiple Sklerose, bevor meine Kinder auf der Welt waren. Somit kennen sie mich nicht anders und ich kenne das Muttersein nur mit der Krankheit.

 

Ich selbst sage über uns, dass wir eine ganz normale Familie mit ein paar Besonderheiten sind – diese werden den Kindern im Laufe der Zeit auch immer bewusster.

 

Ich würde behaupten, die meiste Zeit schränkt die MS mich im Alltag nicht ein, aber an einigen Tagen meldet sie sich eben doch, mit Symptomen wie Sehproblemen, Schwindel, die Feinmotorik in der rechten Hand macht Probleme, meine linke Seite ist taub oder meine Extremitäten zittern. Es ist nicht immer alles davon gleichzeitig und gleichstark, es ist einfach unberechenbar.

 

Ich bin von Anfang an immer offen und ehrlich mit meiner Krankheit umgegangen. Ich glaube mit Ehrlichkeit im Leben am weitesten zu kommen. Es hat nicht immer Vorteile, aber so muss ich niemanden etwas vormachen.

 

Etwas anders ist es, wenn es um meine Kinder geht. Tatsächlich geht es ganz vielen MS-Erkrankten so. Denn häufig bekomme ich dazu Fragen gestellt: „Nadine hast du von deiner Krankheit etwas im Kindergarten gesagt? Soll ich es bei den Erziehern erwähnen?“

 

Ich erzähle dir nun, wie es bei uns ablief und was ich rückblickend davon halte.

 

Als wir vor ziemlich genau einem Jahr das Kennenlerngespräch im Kindergarten hatten, dachte ich tatsächlich überhaupt nicht über die MS nach. Das änderte sich jedoch während des Gespräch sehr schnell: Die Kindergartenleitung ist eine sehr sympathische, nette junge Frau. Sie zeigte uns die Räumlichkeiten und erzählte über den Kindergarten. Wir fühlten uns gleich sehr wohl. Plötzlich kam die Frage: „Gibt es Besonderheiten in ihrer Familie?“ Mein Kopf ratterte – kennst du das wenn du 1000 Gedanken innerhalb weniger Sekunden gleichzeitig denkst? Ich überlegte. Soll ich die MS ansprechen? Wird sie mich verurteilen? Muss ich mich gleich rechtfertigen? Ratter, ratter, ratter… Dann hörte ich mich sagen: „Ja, ich habe Multiple Sklerose und gehe offen in der Familie damit um.“ Es herrschte erstmal unangenehme Stille und bevor die Erzieherin überhaupt etwas sagen konnte, rechtfertigte ich mich sofort, warum wir damit so umgehen. Sie reagierte dann glücklicherweise sehr nett und ich merkte, sie sah mich mit Wärme und Mitgefühl an; sie verurteilte mich nicht.

 

Zuhause dachte ich schon noch darüber nach. War es richtig? Ich möchte nicht die Mama mit MS sein, ich möchte einfach als normale Mama behandelt werden.

 

Kurze Zeit darauf lernten wir die Bezugserzieherin kennen. Es rührte mich sehr, dass sie erwähnte, sich in das Thema MS etwas eingelesen zu haben, um die Erkrankung zu verstehen. Sie fragte mich auch, wie sie sich bei mir äußert und wie eingeschränkt ich bin. Das war völlig okay für mich.

 

Dann kam das Ganze lange nicht mehr zur Sprache, da ich nicht wirklich etwas hatte, das mich einschränkte. Dass ich Tabletten einnahm, war außerdem normal für die Kinder und mich. Ende Januar hatte ich dann aber einen Schub, den gerade der Große richtig mitbekam. Ich habe Cortison bekommen und war ziemlich platt. Der Große sah die Nadel im Arm und fragte mich, was ich dort hätte. Ich erklärte es ihm mit einem Bildvergleich; dass wir unser Auto tanken, damit es wieder weit fahren kann und ich bekomme nun auch ein Medikament, damit ich wieder richtig funktioniere. Er verstand es irgendwie. Der Große erzählte eindrucksvoll im Kindergarten, „Die Mama hat eine Nadel im Arm, zum Tanken!“ Natürlich könnte der Spruch, „Meine Mama hat eine Nadel im Arm.“ auch anders von den Erzieherinnen gedeutet werden. Er erzählte aber auch, dass es mir aktuell nicht so gut gehe. Er suchte das Gespräch mit den Erziehern und redete sehr viel darüber. Zuerst tat es mir weh, als mir davon berichtet wurde, aber eigentlich bin ich sehr dankbar darüber, dass er sich so anvertraut hat und offen darüber reden wollte.

 

Mittlerweile bekomme ich alle vier Wochen eine Infusion. Dies ist für uns alle ein etwas anderer Tag. Meine Mama übernimmt dann morgens den Kleinen und dem Großen sagen wir ganz bewusst, dass ich heute mein Medikament bekomme. Es ist okay für ihn. Er weiß – falls im Kindergarten etwas sein sollte – kommt die Oma oder eine Nachbarin. Die Erzieher wissen auch Bescheid. Am Infusionstag ruhe ich mich meist etwas aus und mache langsam, das ist in Ordnung für alle.

 

Als Mama oder Papa möchte doch jeder das Beste für sein Kind. Ich bin sicher, du kennst deine Familie am besten und wirst den richtigen Weg gehen und richtigen Umgang finden.

 

Aber: Wusstest du, dass ein offener und verständnisvoller Umgang mit der Krankheit laut Experten das Vertrauen fördert, den Familienzusammenhalt und die Sozialkompetenz stärkt?

 

Kinder brauchen Vertrauenspersonen. Es wird häufig beobachtet, dass Kinder von Betroffenen Hemmungen haben sich ihren Eltern anzuvertrauen, um sie nicht weiter zu belasten. Für unseren Großen sind die Erzieher absolute Vertrauenspersonen. Er spricht mit ihnen darüber. Ich für mein Teil finde es sehr wertvoll und wichtig. Es beruhigt mich als Betroffene Mama sehr, dass ich weiß, er vertraut sich ihnen an!

 

Wenn du noch unsicher bist, ob und wie du mit deinen Kindern über die MS sprechen kannst, schau in dieser Kolumne von mir rein – dort erzähle ich dir, wie ich es gemacht habe.

 


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