Impfungen bei MS
Ich weiß, die Thematik Impfen ist aktuell etwas heikel und ich habe lange überlegt, ob ich wirklich darüber schreibe – aber ich tue es, weil ich es dann doch für sehr wichtig erachte.
Dennoch möchte ich gleich vorwegnehmen, dass jeder diese Entscheidung für sich selbst abwägen muss und ich niemandem meine Meinung aufzwingen möchte oder andere Ansichten zu dem Thema verurteile. Ich möchte aber im Zuge der Aufklärung gerne ein paar Fakten und meine persönliche Geschichte mit dir teilen.
Meine „Impf-Historie“
Tja, wo fange ich an? Meine Eltern impften mich als Kind mit allen empfohlenen Impfungen. Als ich meine Ausbildung in der Klinik begann, frischte ich die eine oder andere Impfung nochmal auf und erhielt sogar noch zusätzliche Impfungen. Als Kind und junge Erwachsene habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, ich machte es einfach. Dinge zu hinterfragen – gerade, wenn es um Medikamente und den eigenen Körper geht – ist völlig in Ordnung und jeder von uns sollte sich ein bisschen damit auseinandersetzen. Mittlerweile ist es mir sehr wichtig, zu verstehen, was in meinem Körper passiert. Leider muss man sagen, dass viele Falschaussagen in Bezug auf das Thema „Impfen“ kursieren, vor allem aktuell über die Corona-Impfung. Deshalb – wenn du dich informierst – achte auf seriöse, verlässliche Quellen.
Nach der Diagnose MS
Mit der Diagnose MS hinterfragt wohl jeder alles; auch ich stieß relativ schnell auf Stimmen, die behaupteten, MS sei „durch Impfen ausgelöst“…
Lass dir hier gesagt sein: Nach derzeitigem Wissensstand heißt es, dass eine Impfung keine MS auslösen kann, aber bei bestehender MS (auch klinisch noch nicht festgestellter MS) einen Schub verursachen kann.
Wenn du nun auch von MS betroffen bist, weißt du sicher, dass schon jeder stärkere Infekt für einen Schub verantwortlich sein kann. Jede:r sollte da für sich abwägen, welchem Risiko er/sie sich aussetzen möchte. Ich für meinen Teil, habe mich für das Impfen entschieden, weil mich kleine Infekte körperlich schon richtig umhauen und ich daher Angst vor größeren habe. Deshalb lasse ich mir auch seit 2016 jährlich die Grippeschutzimpfung geben. Natürlich schützt sie mich nicht vor allem, aber sie gibt mir einfach ein gutes Gefühl. Bisher habe ich die Impfung auch immer gut vertragen. Jeder Mensch muss für sich selbst das leicht erhöhte Schubrisiko nach einer Impfung mit dem Schubrisiko durch einen Infekt abwägen. Hör in diesen Belangen auf dein Gefühl, für deine Entscheidung musst du dich auch vor niemandem rechtfertigen.
Die meisten MS-Therapien beeinflussen zudem das Immunsystem. Vor speziellen Therapien wird der Impfstand daher gecheckt und Impfungen teilweise aufgefrischt. Mehr dazu kann dir dein behandelnder Neurologe erklären und deinen Fall individuell besprechen.
Unterschiedliche Impfstoffarten
Bei den meisten Impfungen handelt es sich um einen Lebend- oder Totimpfstoff.
Lebendimpfstoff: Lebendimpfstoffe enthalten geringe Mengen Krankheitserreger, die aber abgeschwächt wurden und dich in der Regel nicht krankmachen können. Das Immunsystem reagiert auf die Erreger und bildet spezielle Antikörper. Die Masern-Mumps-Röteln-Impfung ist beispielsweise eine solche Lebendimpfung.
Das Robert-Koch Institut rät von einer Lebendimpfung ab, wenn du dich in einer Immunsuppressiven Therapie befindest. Deshalb ist es wichtig, vor Therapiebeginn den Impfstatus zu checken. Aktuell geht man bei Lebendimpfungen von einem erhöhten Schubrisiko für MSler aus.
Totimpfstoffe: Die meisten unserer Impfungen sind Totimpfstoffe, also inaktivierte Impfstoffe. Sie enthalten abgetötete Krankheitserreger, die sich nicht vermehren können. Diese werden vom Körper als fremd erkannt und sollen die Antikörperbildung anregen, ohne dass die Krankheit ausbricht. Zum Totimpfstoff zählen unter anderem: Tetanus, Kinderlähmung, Diphterie
Totimpfstoffe sind aktuellen Studien zufolge für MS-Betroffene unproblematisch. Dennoch sollte unbedingt beachtet werden, dass im Falle einer Immunsuppressiven Therapie das körperliche Anspringen auf die Impfung reduziert sein kann. Nach einer Impfung einen Antikörpertest durchzuführen, um Sicherheit zu haben, ist daher empfehlenswert.
COVID-19-Impfung
Für die Corona-Impfungen gibt es neuartige Impfstoffe. Es wurden vier Impfstoffe in Deutschland zugelassen, davon zwei mRNA- und zwei Vektor-Impfstoffe. Eine einfache und verständliche Erklärung zu diesen Impfstoffen kannst du z.B. hier finden.
Die Frage der Fragen: Bin ich gegen COVID-19 geimpft? Ja, bin ich. Es stand für mich auch nicht groß zur Debatte. Mit MS sind wir vorerkrankt, nehmen häufig Medikamente, die auf das Immunsystem wirken und haben bei jedem Infekt ein Schubrisiko. Allein dieses Risiko möchte ich so weit es geht minimieren. Ich war deshalb froh, mich impfen lassen zu können. Zudem geht eines meiner Kinder in den Kindergarten, besucht Turngruppen und Spielplätze. Mein Mann ist Arzt und hat ständig mit Menschen zu tun und ich selbst möchte auch mal wieder unter Menschen. Im Februar habe ich mit meiner neuen Therapie begonnen, die auch das Immunsystem beeinflusst. Ich fühle mich mit der Corona-Impfung einfach sicherer. Natürlich ist mir bewusst, auch trotzdem an Corona erkranken zu können, jedoch dann wahrscheinlich eher mit einem „milderen Verlauf“. Mir fehlen das Leben und die Menschen. Ich bekam im April einen mRNA-Impfstoff und hatte bis auf Armschmerzen keine Nebenwirkungen. Nach ein paar Wochen machten wir einen Antikörpertest und dieser zeigte, dass ich ausreichend Antikörper entwickelt hatte.
Die DMSG empfiehlt ganz klar, die Corona-Impfung für MS-Erkrankte. Bei einer COVID-19-Infektion geht man in 10 Prozent der Fälle von einem schweren Verlauf aus; 2 bis 3 Prozent enden tödlich (vgl. Robert-Koch-Institut). Zudem können auch bei einem milden Verlauf langanhaltende Symptome (Long Covid) auftreten. Du solltest unbedingt bedenken: Die Impfung schützt nicht nur dich, sondern auch andere. Erfahrungen aus anderen Ländern (Israel und England) geben bisher keine Hinweise darauf, dass Nebenwirkungen bei MS-Betroffenen anders oder vermehrt auftraten, oder dass die Impfung die MS verschlechtert hat.
Die DMSG hat mit dem KKNMS vor ein paar Wochen eine Stellungnahme veröffentlicht, in der eine 3-fach-Impfung bei MS-Erkrankten empfohlen wird. Die Stellungnahme findest du hier (aktualisiert im Januar 2022).
In diesen Fällen solltest du dich NICHT impfen lassen:
- Während eines MS-Schubs
- Während der Cortison-Therapie
- Während einer Therapie mit Immunsuppressiva (kein Lebendimpfstoff)
Grundsätzlich finde ich Impfungen gut und sinnvoll. Ich bin dankbar, heutzutage diese Möglichkeiten zu haben. Wenn du anderer Meinung bist, ist das auch völlig in Ordnung. Ich hoffe, ich konnte dir über das Thema „Impfen bei MS“ einen kleinen Einblick geben.
Kleiner Tipp: Nimm deinen Impfausweis mit zum nächsten Arztbesuch und lasse überprüfen, ob alle Impfungen auf dem neuesten Stand sind.
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