Blasenstörung bei MS
Wusstest du, dass ca. 50 bis 80 Prozent aller MS-Patient:innen während ihrer Erkrankung von einer Blasenstörung betroffen sind?
Allein aus diesem Grund ist dieses MS-Symptom ein unglaublich wichtiges Thema, dem ich gerne etwas mehr Beachtung schenken möchte.
Blasenstörung ist nicht gleich Blasenstörung. Sie tritt auf unterschiedliche Weise zum Vorschein; die Beschwerden lassen sich in drei Gruppen unterteilen:
- Häufiger Harndrang – Eine überaktive Blase
- Die Inkontinenz, Urin nicht halten können (sich einnässen)
- Eine verzögerte oder nicht vollständige Blasenentleerung.
Diese verschiedenen Formen der Blasenstörung können sich im Verlauf auch ändern.
Ich weiß, das Thema ist für die meisten peinlich. Das braucht es aber gar nicht zu sein. Wie du siehst, betrifft die Blasenstörung sehr Viele. Wenn du Blasenprobleme hast oder dir noch unsicher bist, sprich deinen Neurologen ruhig darauf an. Dieser wird dir helfen können, die Beschwerden einzuordnen. Ich selbst weiß, wie belastend es sein kann und wie sehr deine Lebensqualität davon eingeschränkt wird.
Wenn es dir zu unangenehm ist, mit deinem Arzt darüber zu sprechen, wende dich wenn möglich an eine MS-Nurse. Diese wird ebenso Tipps und Erfahrung für dich parat haben. Der Austausch mit anderen ist Gold wert. Du wirst schnell merken, dass du mit diesem Thema keineswegs alleine bist.
Aktuell ist es so bei mir: Ich trinke sehr viel und muss laufend auf die Toilette. Wenn ich unterwegs bin, überprüfe ich manchmal direkt bei der Ankunft irgendwo, wo die Toiletten sind oder informiere mich sogar im Vorfeld, weil es mich ansonsten echt unter Stress setzt.
Ich denke oft, wenn ich zur Toilette muss, meine Blase müsste brechend voll sein. Tatsächlich ist das meist aber gar nicht viel oder umgekehrt: Ich denke, es ist nicht viel und bin erstaunt, was da doch kommt.
Ich habe mir ein paar Rituale angewöhnt, mit denen ich Blasenprobleme gut im Alltag geregelt bekomme.
Gerne teile ich meine gesammelten Tipps mit dir:
- Aus meiner Zeit als Krankenschwester weiß ich, dass Patienten häufig versuchen mit der Aufnahme von möglichst wenig Flüssigkeit ihrem Problem entgegenzuwirken. Tatsächlich wird es dadurch aber schlimmer, denn dann können Blasen- und Nierensteine entstehen. Das ist sehr, sehr schmerzhaft.
- Du solltest ca. zwei Liter am Tag trinken, Wasser oder Tee. Kaffee zählt nicht.
- Trinke regelmäßig über den Tag verteilt.
- Gehe vorbeugend auf Toilette. Auch wenn du denkst, dass du gar nicht musst. Das habe ich mir auch angewöhnt und klappt wirklich gut. Ich gehe immer zur Toilette, bevor ich das Haus verlasse. Wenn du Kleinkinder hast, schickst du deine Kinder sicher auch nochmal – geh einfach direkt mit!
- Wenn du merkst, dass du musst – nicht lange unterdrücken. Geh gleich auf Toilette.
- Ich trinke abends nicht mehr viel, damit ich nachts nicht muss. Denn wenn ich nachts muss, habe ich tagsüber dann mehr mit Fatigue zu tun.
- Beckenbodengymnastik ist Gold wert. Ich bin das erste Mal nach der Schwangerschaft damit in Berührung gekommen und es kann wirklich enorm viel unterstützen. Sprich deinen Arzt an, er kann dir Physiotherapie verschreiben, wo du super Tipps erhältst und Übungen machst.
Wenn diese allgemeinen Tipps nicht ausreichen, besprich es unbedingt mit deinen Ärzten.
Es gibt nämlich mittlerweile eine ganze Menge an medikamentösen Möglichkeiten. Das Ziel ist es, Komplikationen zu vermeiden und deine Lebensqualität zu verbessern.
Hilfsmittel
Wie bei so Vielem, können wir dankbar über die Hilfsmittel sein, die wir heute haben und diese werden immer besser. Sie sind da, um uns den Umgang mit der Blasenstörung einfacher oder angenehmer zu machen. Es gibt mittlerweile spezielle Slips, Vorlagen, Tropfenfänger oder für den Mann das Kondom-Urinal.
Sollte regelmäßig zu viel Restharn in der Blase bleiben und es zu häufigen Blasenentzündungen kommt, sollte man über das Selbst-Katheterisieren nachdenken. Sollte dies aufgrund von Sehstörungen, Problemen mit Armen und Beinen usw. nicht funktionieren, kann ein Dauerkatheter zum Einsatz kommen. Dabei ist die Gefahr einer Blasenentzündung aber recht hoch.
Gastrointestinale Störung, also die Darmentleerungsstörung, kommt ebenfalls sehr häufig bei MS-Betroffenen vor. Man unterscheidet zwischen:
- Obstipation (Verstopfung); diese kommt häufiger vor, und
- Stuhlinkontinenz: Das Nicht-Halten-Können
Meine Tipps bei:
Obstipation:
- Ausreichend Flüssigkeit
- Viel Bewegung
- Kolonmassage
- Ballaststoffreiche Mischkost
Stuhlinkontinenz:
- Vermeidung blähender Speisen
- Regelmäßiges gezieltes Abführen durch ein Klistier.
- Transanale Irrigation (TAI): Dabei wird Wasser in den Darm eingeführt. Um nach einer bestimmten Zeit die Darmentleerung auszulösen. Dabei wird ein Rektalkatheter verwendet, der das Wasser sicher im Darm hält. Es kann nach einer Einweisung selbst angewandt werden.
Unterwegs – der Euroschlüssel
Der sogenannte Euroschlüssel ermöglicht Menschen mit Beeinträchtigungen den Zugang zu behindertengerechten sanitären Anlagen. Zum Beispiel an Autobahnen, Bahnhöfen, Fußgängerzonen usw. Europaweit sind über 12.000 Toiletten mit diesem Schloss ausgestattet. Eine großartige Sache.
Bezugsberechtigt sind auch Menschen die an MS erkrankt sind. Es reicht hier ein ärztlicher Nachweis über die Diagnose. Das ganze kannst du dann bei dem CBF-Darmstadt (Club Behinderter und ihrer Freunde) bestellen. Aktuell kostet der Schlüssel einmalig 23€. Sobald das Geld überwiesen ist, solltest du den Schlüssel bekommen. Hier gelangst du zu dem Bestellformular.
Denk immer daran, wir alle müssen schlafen, essen und auf die Toilette. Es gehört selbstverständlich dazu und ist kein Grund sich zu schämen. Wenn du Probleme hast, sprich es offen an! Du hast nichts zu verlieren – im Gegenteil du kannst nur gewinnen.
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