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MS-Kolumne

Angst und MS

Nadines Kolumne

„Angst ist ein Gefühl der ‚Unheimlichkeit‘ und des ‚Ausgesetztseins‘ in der Welt.“ (Kai Althoetmar)

 

Was ist Angst?
Angst ist ein Gefühl und eine normale Reaktion auf Gefahr. Sie soll Menschen helfen, die Ursache auszuschalten oder ihr zu entkommen. Unsere Vorfahren hätten ohne Angst nie überleben können. Der Körper begibt sich in Alarmbereitschaft, der Puls beschleunigt und die Pupillen weiten sich. Angst kann eine lähmende oder auch mobilisierende Emotion sein. So sind einige Menschen bei drohender Gefahr leistungsfähiger. Denn in Angstsituationen schüttet die Nebenniere die Hormone Adrenalin und Noradrenalin aus. Dadurch schlägt das Herz schneller und das Blut bindet mehr Sauerstoff. Der Körper ist somit besser in der Lage zu fliehen. Auf einen längeren Zeitpunkt gesehen, ist das richtiger Stress für den Körper.


Wir wissen, Stress ist alles andere als gut und wirkt sich auch nicht gerade vorteilhaft auf unsere MS aus. (Hier findest du eine Kolumne von mir zum Thema Stress). Bei einigen können die Ängste so ausgeprägt sein, dass es die Menschen in ihrer Lebensqualität richtig einschränkt. Man geht aktuell davon aus, dass zwanzig Prozent der Bevölkerung irgendwann in ihrem Leben an einer Angststörung erkranken werden. Dazu später mehr.

 

Meine Erfahrungen mit Angst
Ich erinnere mich sehr genau, als ich die Diagnose erhielt, hatte ich wirklich blanke Panik. Mitten im Leben war plötzlich nichts mehr so, wie es war. Irgendwie dachte ich, das wars jetzt. Ich sah mich körperlich stark beeinträchtigt und nicht mehr in der Lage, mein Leben so zu führen, wie ich es tat und wollte. Immer wieder bekomme ich von anderen gesagt: „Sei froh, du bist vom Fach und kennst dich aus.“ Ich habe jahrelang als Krankenschwester auf einer Neurologischen Überwachungsstation gearbeitet. Meine Patient:innen hatten zum größten Teil Schlaganfälle, Hirnblutungen oder seltene Neurologische Erkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom. Wenn ich mal eine:n MS-Patient:in sah, war diese:r in der Regel wirklich schwer betroffen. Ja, das war mein Bild aus meiner beruflichen Erfahrung. Natürlich wusste ich auch, das muss nicht so sein; dennoch hatte ich das Bild von einem Rollstuhl sofort im Kopf.

 

Zuerst war ich wie gelähmt und malte mir die schlimmsten Szenarien aus. Ich konnte nicht mehr richtig schlafen und an nichts anderes mehr denken. Wenn mich in den ersten Wochen jemand fragte, wie es mir ging, fing ich häufig sofort an zu weinen. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich aufrappeln konnte. Ich denke, das trat ein, als ich das erste Mal bewusst merkte, dass mein Auge sich nach Wochen verbessert hatte. Da war plötzlich wieder ein positives Gefühl und Hoffnung. Ich begann im Internet nach Menschen zu suchen, denen es mit MS gut ging. Damals war die Suche mühsam und ich entdeckte nur ein paar wenige Geschichten, die mir Mut machten. Nach ein paar Jahren mit der Diagnose war es genau das, was ich eben auch tun wollte – Mut machen – und deshalb begann ich mit dem Bloggen. Bereits ein Kind an der Hand und MS wollte ich anderen Frauen zeigen, mir geht es gut und Mut machen- denn genau das brauchte ich damals auch. Die Resonanz ist wirklich erstaunlich und ich bekomme viele Nachrichten von anderen Betroffenen, dass ich ihnen Mut mache und ein gutes Gefühl gebe – dafür mache ich gern weiter.

 

Heute nach sieben Jahren MS, vier Schüben, fünf Kortison-Stoßtherapien, drei Medikamentenumstellungen und zwei Kindern geht es mir gut. Ich bin zufrieden. Hätte mich jemand am Anfang meiner Diagnose gefragt: ‚Wo siehst du dich in sieben Jahren?‘, hätte ich wohl den Rollstuhl im Kopf gehabt. Heute geht es mir meist richtig gut. Die guten Tage überwiegen bei weitem und ich denke selten im Alltag an die Erkrankung.


Aber auch ich habe Momente oder Situationen, in denen mich plötzlich die Angst völlig überkommt; Angst vor der Zukunft, Angst vor dem Alltag und Wut auf die Krankheit. Es überkommt mich so sehr, dass ich weinen muss und ich wirklich Panik bekomme. Mir schnürt es die Kehle zu. Ich glaube, es gehört einfach dazu und darf auch mal sein. Am schlimmsten empfinde ich die Angst nachts, denn im Alltag bin ich doch sehr schnell wieder abgelenkt. Aber nachts, wenn alle schlafen, es ruhig ist und der Kopf mal anfängt zu rattern, bin ich mit mir allein. An schlafen ist nicht mehr zu denken. Gerade die erste Zeit nach der Diagnose war ich nachts dann häufig wach und konnte stundenlang nicht schlafen; ich hatte Angst und Panik und war am nächsten Tag völlig fertig, weil ich so müde war. Nicht selten wiederholte sich die Situation dann in der Folgenacht. Mittlerweile habe ich für mich einige Strategien entwickelt, die mir helfen und die möchte ich mit dir teilen. Ich unterscheide in tagsüber und nachts.

 

Überwindung von Angstzuständen am Tag:

  • Reden und Erfahrungen austauschen: Am liebsten mit meinem Mann oder jemand gleichgesinntes. Ich finde niemand anderes versteht die Situation so gut wie ein Mensch, der dasselbe durchmacht. Deshalb ist der Austausch auch so wertvoll. Du wirst schnell merken, nicht allein mit diesen Gefühlen zu sein.
  • Musik: Nichts Trauriges, irgendwas was Spaß macht oder dein Lieblingslied. Singe es in voller Lautstärke. Beim lauten Singen kannst du den Kopf abschalten und dich ablenken.
  • Tiefe und ruhige Atemzüge: Helfen immer, um runterzukommen und klar zu denken.
  • Raus an die Luft: Mache einen Spaziergang.
  • Sport und Bewegung: Dabei werden die Glückshormone Endorphin, Serotonin und Dopamin ausgeschüttet.

 

Überwindung von Angstzuständen in der Nacht:

  • Stell dir einen Ort vor, an dem du dich behütet und beschützt fühlst. Male dir die Umgebung richtig bildlich mit allen Einzelheiten aus.
  • Sei dir bewusst, wir fühlen, was wir denken und das Denken können wir steuern. (Hier kann ich dir ein Hörbuch empfehlen: „Gefühle verstehen, Probleme bewältigen“).
  • Mach dir eine Traumreise an und höre diese.


Angststörungen

 

Ab wann ist eine Angst krankhaft?
Man spricht von einer krankhaften Angst, wenn diese ohne jeden konkreten Anlass auftritt oder sogar zum ständigen Begleiter wird. Es schränkt die Lebensqualität erheblich ein.

Folgende Symptome können bei Angst auftreten:

  • Herzklopfen
  • Erhöhter Puls
  • Schweißausbrüche
  • Zittern
  • Atembeschwerden
  • Schwindel
  • Erbrechen
  • Brustschmerzen

 

Es gibt unterschiedliche Formen von Angststörungen; ich möchte zwei ansprechen, da diese die häufigsten bei chronisch kranken Menschen sind. Die generalisierte Angststörung oder eine Panikstörung.

  1. Bei der generalisierten Angststörung sind Sorgen und Ängste ein ständiger Begleiter. Sie kann auch in Form von allgemeiner Nervosität auftreten und schränkt die Lebensqualität erheblich ein.

  2. Panikstörung: Das sind wiederholte Angstattacken mit heftigen körperlichen Symptomen. Es kann zu auch Atemnot kommen. Meist dauert so eine Panikattacke weniger als 30 Minuten. Sie kann ganz unerwartet ausgelöst werden oder durch eine bestimmte Situation.

 

Solltest du unter einer Angst leiden, die dich im Alltag einschränkt oder belastet, suche deinen Arzt auf. Erzähle von deinen Ängsten und wie es dich im Alltag einschränkt. Warte nicht damit, denn je länger sich Ängste manifestieren, desto hartnäckiger sind diese zu bewältigen.

 

Behandlungsmöglichkeiten:
Es gibt mittlerweile einige Behandlungsmöglichkeiten.

  • Kognitive Verhaltenstherapie: Hier lassen sich angstauslösende Verhaltensmuster, Gedanken, Gefühle entdecken und hinterfragen. Gezielte Übungen helfen dabei, Angst auslösende Muster zu verändern.
  • Tiefenpsychologische Methoden: Dabei lassen sich tiefliegende Probleme aufdecken und bearbeiten.
  • Medikamente: Antidepressiva oder Beruhigungsmittel können Teil deiner ärztlichen Behandlung sein.

 

Dein Arzt kann dir genau weiterhelfen und einschätzen, welche Behandlungsmöglichkeit für dich in Frage kommt.


Du bist mit deiner Angst nicht allein. Lass sie nicht dein Leben bestimmen, such die professionelle Hilfe, sprich darüber und tausche dich mit anderen aus.
 


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